In meiner Podcastfolge mit dem bekannten Komiker Max Giermann, erzählt er etwas, das beim ersten Mal hören möglicherweise überrascht.

“Das ist, als wäre ich irgendwie kenne eine jüngere Version von mir selber und das habe ich sonst überhaupt nicht. Sonst ist man aufgeregt. Mal mehr und mal weniger. Aber ich weiß irgendwie so. Das ist mein Ding und ich kenn mich da aus. Aber dass man sich so fremd fühlt im eigenen Körper, das habe ich tatsächlich nur in den Castings.”

Sich in einer Auftritts- oder Drucksituation jünger, kleiner oder unerfahrener zu fühlen, ist ein Phänomen, was in meiner Arbeit bei vier von fünf KlientInnen vorkommt. Wenn ich ihnen die Frage stelle: “Wie alt fühlst du dich, wenn du an den bevorstehenden Auftritt denkst?” sind sie zunächst auch überrascht. Manche antworten total präzise: “Ich sehe mich wieder wie mit 15 vor der Klasse stehen.” Andere sagen einfach nur “Ich fühle mich einfach kleiner.” 

Niemandem fehlt etwas, wenn er sich kleiner fühlt, denn der Körper macht alles richtig.

Wenn wir uns einer Situation nicht gewachsen, als eine jüngere Version unserer selbst fühlen, während wir vor erwachsenen Menschen auftreten wollen, ist Unwohlsein vollkommen normal. Anders gesagt: Hier fehlt unserem Körper nichts, er reagiert vollkommen richtig. Oft reichen hier kurze Übungen, um sich in konkreten Situationen daran zu erinnern, dass man ja schon groß ist. Mit manchen Klient:innen, wird mehrmals an dem Thema gearbeitet. Aber wieso fühlen wir uns häufig wieder wie ein Teenager und was können wir machen, damit das nicht so ist?

Sich kleiner fühlen (Altersregressionen) ist noch nicht ausreichend erforscht.

Einen Ansatz zur Erklärung gibt die Traumaforschung von Bessel van der Kolk. Wenn TraumapatientInnen sog. Flashbacks, eine plötzliche Erinnerung einer Situation oder eines Moments erleben, reagiert der Körper wie in der damaligen Situation selbst. Die Patienten haben das Gefühl, als seien sie wieder in genau derselben Situation.

Ein Blick ins Hirn

Bei Versuchen waren die Forscher überrascht, dass sie in einer speziellen Hirnregion Aktivität sehen konnten (Brodmann Region 19), obwohl das Ursprungsereignis schon mehrere Jahre zurück liegt. Diese Region spielt eigentlich nur eine Rolle, wenn Bilder zum ersten Mal auf unser Gehirn treffen, um dann an Regionen weitergereicht zu werden, die für die Einordnung und Bewertung der Geschehnisse zuständig sind.

Es muss nicht ein wirkliches Trauma sein

Meine Kollegin und die Forscherin Dr. Antonia Pfeiffer sagt: “Die unbewusste emotionale Erinnerung wird aktiviert und schüttet so die gleichen oder ähnliche Signale aus wie damals.” Das bedeutet nicht, dass dem Gefühl, sich bei einem Auftritt jünger zu fühlen, immer ein Traumata im diagnostischen Sinne zu Grunde liegt. Die Situation muss auch nicht per se schlecht oder negativ gewesen sein. Das Ergebnis kann sogar gut gewesen sein und der Körper erinnert sich einfach daran.

“Der Körper hat irgendwann mal in einer Situation mit einer emotionalen Reaktion geantwortet, die er für notwendig empfunden hat.” Mit starker Aufregung oder Lampenfieber zum Beispiel vor einem Vorspiel oder Auftritt in der Schule. Vielleicht waren die Eltern oder die erste große Liebe im Publikum. “Diese Reaktion ruft der Körper in der heutigen Situation einfach wieder ab. Dabei ist der Part im Gehirn, der für die zeitliche Einordnung zuständig ist, etwas verwirrt.”

Die Perspektive der Hypnose

In der Hypnose wird die Altersregression bewusst positiv genutzt, um beispielweise an einen sicheren Ort zu kommen und dieses Gefühl wieder zu erleben oder auch ein positives vergangenes Auftrittserlebnis, was richtig gut gelaufen ist. Vergleichbare Übungen mache ich mit meinen Klient:innen, um das gute Gefühl eines vergangenen Auftrittes sich bewusst vor dem nächsten Auftritt wieder zu erleben. Wenn wir uns jedoch kleiner fühlen, als wir eigentlich sind, würden die Hypnosystemiker sagen, wir rutschen in einen hypnotischen Zustand, der für den Auftritt nicht förderlich ist. Ich erlebe es manchmal in der Arbeit als sei eine Weiche im umgestellt.

Max Giermann: Bei Castings fühle ich mich wie ein Anfänger und vielleicht muss ich mich auch an die Preise erinnern, die bei mir im Schrank stehen. Nach dem Motto Ja, ich muss auch keinem was beweisen eigentlich.

Wie komme ich daraus?

Es hilft sich natürlich erstmal im Vorfeld bewusst zu machen, was man alles schon geschafft hat. Das aufzuschreiben. Allerdings sind die rein kognitiven Übungen den körperlichen Unterlegen, in Sachen Geschwindigkeit. Gleichzeitig hilft es die körperliche Ebene mit zu nehmen. Mit einigen Klient:innen reicht es aus in der Vorbereitung, eine Tapping-Übung zu zeigen und dabei laut Sätze aussprechen zu lassen. Dabei krault man mit der rechten Hand unter dem Schlüsselbein und spricht Sätze aus, die der Coach anbietet und der Klient:in als passend empfindet. Das ändert zum einen schnell das Gefühl und zudem hat man eine 10 Sekunden Rescue-Übung erlernt, die man sofort vor einem Auftritt anwenden kann.

Bei einigen Klient:innen kommt das Phänomen hartnäckiger Form, weswegen ich in diesen Fällen in der Regel zwei Mal arbeite. Einmal um zu schauen, ob es eine innere rote Ampel gibt mithilfe eines Kognitions-Kongruenz-Testes aus PEP(r) und einer Übung aus einer körperlichen Aufstellung, um den jüngeren Anteil, der sich meldet zu integrieren.

Wie die ein oder andere Übung geht und du ausprobieren kannst, zeige ich in einer Gruppensession einmal im Monat, wozu du dich kostenfrei anmelden kannst.

 

 

 

 

 

Emotionale Erinnerungen, klopfen als Schlüssel für Lösungen. Neurowissenschaftliche Wirkhypothesen.