Ich spreche mit einer Freundin am Telefon. Sie ist alleinerziehend. Es ist Sonntag Vormittag. “Der Schulleiter hat noch keine Email geschrieben. “Ich habe keine Ahnung, wie meine Woche aussieht.” sagt sie erschöpft.  “Ich kann aber nicht klagen uns geht es ja grundsätzlich gut.” Ein Klagelied muss es vielleicht auch nicht gleich sein, aber wäre nicht ein gesundes “Scheisse” angebracht?

Kräftiges fluchen erhöht die Schmerztoleranz

Eine Studie der britischen Keele University hat den Einfluss verschiedener Fluchwörter auf das Schmerzempfinden untersucht. Die Wissenschaftler Richard Stephens und Olly Robertson haben dafür die Proband:innen die Hand in Eiswasser halten lassen. Dann wurden u.a. der Puls gemessen und die Zeit gestoppt, wie lange die Frauen und Männer die Hand im Eiswasser halten konnten. Dabei kam heraus, dass die Gruppe, die “Fuck” aussprechen durfte, eine 33% höhere Schmerztoleranz hat, als die Gruppe, die Fantasiewörter „Fouch“ und „Twizpipe“ ausprobierten.

Du musst nicht klagen, kannst aber fluchen

Das lautes Fluchen einen positiven Einfluss auf das Schmerzempfinden hat, ist in der Wissenschaft lange bekannt. Aber auch im Alltag fluchen wir doch umgehend und intuitiv, wenn wir uns nur die Finger klemmen oder bemerken, die Schlüssel in der Wohnung vergessen zu haben. Warum nicht auch in anderen Situationen, wo es doch, wie bei der Freundin durchaus berechtigt ist?

Der Körper kennt nur “rationalen” Ärger

Ich lade meine Klient:innen immer dazu ein, herzlich zu fluchen. In Verbindung mit etwas Körpertechnik, wird man den Ärger auch oft emotional schnell los. Und in den letzten Monaten, haben wir natürlich auf diesen Virus, das Schicksal, Schiedsrichter und Trainer und alles andere geschimpft. Dem Körper ist es im übrigen auch ziemlich egal, ob man einen rationalen oder irrationalen Ärger, berechtigten oder unberechtigten in sich trägt. Bei der Begleitung von Sportler:innen bei Verletzungen ist ein Ärger über sich, andere oder Schicksal eigentlich fast schon ein fester Bestandteil.

“Das musste auch mal raus.”

Fluchen und klagen sind nicht das gleiche. Und wie immer macht die Dosis das Gift. Die Freundin sagt am Ende des Gesprächs “Ach eigentlich hast Du Recht, das ist schon ziemlich kacke, wie da mit uns umgegangen wird und ganz geil von mir, wie ich das bislang so gewuppt habe.” Wer also flucht hat die Kontrolle über sein leben nicht verloren, sondern ist vielleicht sogar dabei, sie zurückzugewinnen. In diesem Sinne fröhliches Fluchen und wer gezeigt bekommen möchte, wie das oder die Arbeit mit Eiswasser Spaß macht, schreibt mir einfach.

 

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Link zur Studie

Photo von Nong Vang on Unsplash