Olympische Spiele 2008. Das 100m Finale im Freistil steht an. Britta Steffen betritt die olympische Schwimmhalle in Peking. Es geht um nichts weniger als ihre erste Goldmedaille. In etwas mehr als einer Minute ertönt der Startpfiff, in weniger als einer Minute nach dem Pfiff ist der Wettkampf Geschichte. Von den Rängen hört sie laut und deutlich “Britta, Britta”-Rufe. Und das im Reich der Mitte. Britta Steffen schmunzelt.
Zu viel im Kopf unterwegs
Das Schmunzeln verwundert. Es geht hier um die Goldmedaille. In den Gesichtern ihrer Konkurrentinnen eher gequältes Lächeln und zusammengekniffene Lippen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gab Britta Steffen Einblicke in ihre Gedankenwelt: Ich war früher immer viel zu viel im Kopf unterwegs und hatte keine Ahnung, mit welchen mentalen Techniken (ich) hemmende Gedanken unschädlich machen sollte.”
In einem anderen Beitrag erwähnt sie, dass Nicht-Gewinnen-Können manchmal nicht Nicht-Gewinnen-Wollen sei. “Zumindest war das bei mir so. Ich hatte die Sorgen, einer guten Freundin den Sieg zu klauen und dass darunter unsere Freundschaft leiden könne.”
Startpfiff
Und nun? Kein Kopfkino und kein Loyalitätskonflikt, sondern Schmunzeln. Dann der Startpfiff. Ein dramatisches Rennen. 53,12 Sekunden später schlägt sie als erste an. Satte 4 Tausendstel schneller als die zweitplatzierte Australierin Lisbeth Trickett. Der Rest Jubel, unbändige und ungläubige Freude. Lächeln, Lachen, Strahlen, alles um die Wette. Am Ende steht sie als Olympiasiegerin mit der Goldmedaille um den Hals auf dem Podest. Die erste deutsche Schwimm-Goldmedaille seit Dagmar Hases Olympiasieg 1992 in Barcelona. Zwei Tage später gewinnt sie über 50 Meter Freistil ihre zweite Gold-Medaille.
Mit allen Sinnen
Die Goldmedaille von Britta Steffen zeigt die Bedeutung von mentalen Techniken und der notwendigen Leichtigkeit im Wettkampf. Wer in einem Olympia-Finale siegt, der ist körperlich top vorbereitet. 175 Klimmzüge schaffte Britta Steffen in einer Stunde. Liegestützen 450. Doch im Wettkampf entscheidet neben der körperlichen Athletik die mentale Stärke. Britta Steffen holte zwei Goldmedaillen, weil guter Geist und starker Körper eine Einheit bildete. Weil Britta Steffen Gold mit allen Sinnen gewann. Mit ihren Ohren, mit ihren Händen, mit ihrer Nase, ihrem inneren Auge und ihrem Gestaltungsmut.
Wenn die chinesischen Fans „Britta, Britta!“ rufen
Vor dem Wettkampf vertraute Britta Steffen ihrer Gestaltungskraft, sie hörte bereits 20 Minuten vor Wettkampfbeginn ihre Lieblingsmusik. Sie nahm im Schwimmstadion das, was da war und formte es in ihrem Sinne um: Als die Chinesen „China, China“ stellte sie sich vor, sie würden „Britta, Britta!“ rufen. Als sie im Callroom merkte, dass ihr Puls mit 120 zu hoch war, fing sie an, die Stellen ihres Körpers zu klopfen, die sie entspannen. “So habe ich es geschafft, von 120 Puls auf 90 runterzukommen!”
Wenn der kleine Hai Dich ins Ziel bringt
Und im Wettkampf? Imaginieren, alles vor das eigene Auge bringen, was Dich schneller macht und nicht verkrampfen lässt: Als der Startpfiff ertönte, stellte sie sich vor, ein Katapult schleudere sie ins Wasser: Dann locker loslegen. Das hatte ich alles hundertmal geübt und mit Zitronenduft vernetzt. Mein Gehirn verknüpft das sofort mit Frische, mit Luftkriegen.” Bei der Wende lautete ihr Motto dann: Kugelblitz!
“Dann erst durfte ich gucken, was die Konkurrenz macht, und das Bild dazu war: Es verfolgt mich ein kleiner Hai. Ab jetzt sollte die Situation ja etwas brenzlig sein. Trotzdem nur ein kleiner, weil ein großer Hai mir wieder zu große Angst bereitet hätte.”
Es kann so einfach sein, wenn das Schwere leicht wird.