Dir fehlt nichts, wenn Du einen Blackout erlebst.

Der Blackout führt schnell dazu, an sich selbst zu zweifeln, obwohl alles mit dir stimmt. Schuld an dem spontanen Gedächtnisverlust ist das Stresshormon Cortisol. In den 90er Jahren ist man bei einem Experiment mit Hilfe von Ratten dem Phänomen Blackout auf den Grund gegangen (Link zur Studie). Um dasselbe an Menschen zu testen, wurde einer Gruppe die Aufgabe gegeben, sich 60 Begriffe zu merken. Ein Teil der Gruppe (A) schluckte eine Tablette mit dem Stresshormon Cortisol. Die andere Gruppe (B) eine Tablette ohne Wirkstoff. Das Ergebnis: Gruppe (A), die das Stresshormon per Tablette zu sich nahm, konnte weniger Begriffe wiedergeben als die andere Gruppe. Das Gehirn scheint also genau dann nicht zu funktionieren, wenn der Körper eine größere Menge Cortisol ausschüttet. Doch wie geht man damit jetzt um?

Was geht da ab in meinem Gehirn?

Das Stresshormon Cortisol hemmt eine Region im Gehirn, genauer gesagt den Hippocampus, die für den Gedächtnisabruf verantwortlich ist. Ungefähr so, als würde mein Laptop eine SD Karte mal wieder nicht lesen kann. Ich komme an die wichtige Datei einfach nicht dran, obwohl ich doch weiß, dass sie da ist. Was im Gehirn nach der Ausschüttung des Hormons passiert, weiß man noch nicht so genau. Was bei mir passiert? Ich ärgere mich. 

Wie kann ich einen Blackout vermeiden?

Der Auslöser für ein Blackout ist also Stress, ausgelöst durch Cortisol. Dieses wirkt zeitverzögert, da es nach und nach in den Blutkreislauf abgegeben wird, bis es in kritischer Menge im Gehirn angekommen ist. Daher ist das cleverste, im Vorfeld bereits dafür zu sorgen, dass du deine Nervosität, Aufregung sowie dein Stresslevel und Lampenfieber senkst. Je nachdem, wie weit der Auftritt, die Prüfung oder das Casting noch vor Dir liegt: Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, genau das zu schaffen.

Wochen vor deinem Auftritt

Halte in der Vorbereitung dein Stresslevel gering.

Gute Vorbereitung ist wichtig. Bei Menschen mit denen ich arbeite darf, ist es eher so, dass sie sich zu viel vorbereiten. Aber neben der inhaltlichen Vorbereitung und dem praktischen Üben ist es sehr sinnvoll, sich die Vorbereitung so angenehm wie möglich zu gestalten. Ziel ist es, dass das allgemeine Stresslevel niedrig bleibt. Der Körper unterscheidet nicht zwischen privatem Stress, schlechtem Schlafen oder Stress, der mit deinem Auftritt zu tun hat. Er summiert sich ganz genüsslich auf. Als Beispiel: Wenn Du drohst, verspätet zu Deinem Casting zu kommen, entsteht Stress – aber nicht aus dem Grund, dass Du vielleicht deinen Text nicht richtig drauf hast oder unsicher bist. Und trotzdem steigt die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts. 

Guter Schlaf, ausreichend Bewegung und leckeres Essen sind hilfreiche mentale Auftritts- oder Entspannungstechniken. Bekommst Du deine Stresslevel in der Vorbereitung dennoch nicht in den Griff, solltest Du Dir möglicherweise professionelle, mentale Unterstützung zu holen.

Baue Mentale Auftrittstechniken in die Vorbereitung ein.

Reduziere Deine Atemzüge auf 6 pro Minute

Eine meiner Lieblingsübungen aus dem Bereich der Atmung ist die 4-6 Atmung (Cadence Breathing). Wenn Du 4 Sekunden ein- und 6 Sekunden ausatmest, verringerst Du die Menge Deiner Atemzüge auf 6 pro Minute. Das hat so viele Vorteile, ist überall einsetzbar und ist so gut untersucht, dass man sie unbedingt ausprobieren sollte.

Atme langsam, weich und tief durch die Nase ein. Tiefes Atmen wird allerdings oft missverstanden. Mit tief meine ich in den Bauch und ohne Kraft, sodass sich die unteren zwei Rippen nach außen und innen bewegen. Mache diese Übung 2 mal für 5 Minuten pro Tag vor und nach der Vorbereitung auf deinen Auftritt durch.

Unmittelbar vor deinem Auftritt

Es gibt immer wieder KlientInnen, die sich wenige Tage vor einem wichtigen Auftritt mit hohem Druck bei mir melden. Und das ist völlig ok. Ich freue mich immer, wenn ich behilflich sein kann. Besser ist es natürlich, nicht erst zwei Tage vorher sich um das Thema Aufregung zu kümmern, da man so die Vorbereitung effizienter gestalten kann.

Tut es dir gut mit anderen vor dem Auftritt zu sprechen?

Einigen tut es gut, anderen eher nicht. Bereitest Du Dich lieber alleine auf Deinen Auftritt vor, dann einfach Kopfhörer rein und Dich so abgrenzen, wie es für Dich gut ist, um Deine Wissen, Leistung usw. abrufen zu können. Die tolle Pianisten Marialy Pacheco gewann als erste Frau die renommierte “Piano Solo Competition” beim bedeutendsten Jazz Festival in Montreux. Im Gespräch verriet sie mir, dass sie erst kurz vor ihrem Auftritt angekommen ist, weil sie weder die KollegInnen hören, noch mit ihren sprechen wollte, um mehr bei sich zu bleiben. Gleiches gilt auch fürs Handy vor dem Auftritt – am besten Finger weg!

Augenbewegungstechnik

Auch rhythmische Augenbewegungen können Dein Stresslevel senken. Kein Wunder, denn die Augen sind direkt mit dem Kleinhirn verbunden – genau dort, wo vereinfacht gesagt, “der Stress sitzt”. Mir und meinen KlientInnen hilft es sehr, im Sitzen hinter dem geschlossenen Auge eine Unendlichkeitszeichen zu zeichnen. (Hier zur Übung)

Ich habe Angst vor dem nächsten Blackout, was jetzt?

Du hattest bereits ein Blackout und Angst, dass dieser wiederkommt. Dann kann es sein, dass Dir das alte Erlebnis noch in den “Knochen” steckt. Da kann meist schon eine Coaching Session mit mir oder einer KollegIn helfen, um das alte Erlebnis zu verarbeiten und die Angst zu verlieren. (Du hast Fragen und bist neugierig, Link Termin)

Was mache ich, wenn der Blackout passiert?

Blackouts können passieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dir nochmal einer passiert, ist allerdings mit einer guten auch mentalen Vorbereitung wesentlich geringer. Und trotzdem gibt es keine Garantie, dass Du für immer Blackout-frei bleibst.

Selbst die große und beeindruckende Patti Smith, die eigentlich noch nie ihren Text vergessen hat, hatte bei der Nobelpreisverleihung von Bob Dylan plötzlich ein Blackout. https://www.youtube.com/watch?v=941PHEJHCwU (ab Minute 1:44). Jan Van Weyde erzählt es in meinem Podcast so:

Wichtig ist: Versuche es direkt noch mal!

Jan Fun Weyde (Podcast Kein Applaus Folge 6), konnte damals direkt wieder auf die Bühne. Er hat in dem Moment des Blackouts einfach an seine Tochter gedacht und dann beim zweiten Auftritt nicht nur richtig “abgeliefert”, sondern sogar den Wettbewerb fast gewonnen. Seit dem hatte er so eine Situation nicht mehr und hat das Denken an seine (mittlerweile 2) Töchter als unbewusste Routine vor Auftritten aufgenommen, wie er mir sagte.

Ein Blackout ist nicht schlimm, sondern unser Umgang damit.

Blackouts gehen vorbei. Es kann dennoch helfen, sich im Vorfeld bewusst zu machen, dass der Blackout auch nur ein kleiner Moment im Leben ist – der nichts über unser Können aussagt. Aus Blackouts lassen sich sogar lustige souveräne Momente schaffen. Oder man sieht sie als Zeichen, danach so richtig aufzudrehen. Bei Jan war es sogar so etwas wie ein Schlüsselmoment.

Das schöne finde ich ist, dass uns weder etwas fehlt und wir sowohl vor dem Blackout und auch danach Gestaltungsmöglichkeiten haben, etwas daraus zu machen. Nicht jeder hat das Glück, dass man aus einem Blackout gezogen wird, wie ein kleines Mädchen bei ihrem ersten Auftritt als Ballerina (zum Artikel und Auftritt der Woche geht’s hier).

Du hast Anmerkungen, Fragen, Ideen oder sonstiges, dann schreibe mir gerne.

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