Ich bin nicht bei allen Auftritten der Woche vor Ort, über die ich in meinem Blog schreibe, leider. Doch sehe ich insgesamt viele. Dieses Jahr durfte ich einige Preisverleihungen vor Ort sehen. Also Laudatios, Lobpreisungen und Dankesreden. Ich bin dann im Publikum und hinter den Kulissen und Menschen im behilflich, das zu zeigen, was sie möchten. Denn Laudatios, Lobpreisungen oder Dankesreden sind ganz andere Auftritte als die sonst so gewohnten. Und Auftritte haben es ja bekanntlich in sich. Ein Auftritt hatte es besonders in sich: Der Auftritt von Luna Jordan.

#metoo – immer noch und immer wieder

Luna Jordan hat dieses Jahr den österreichischen Filmpreis als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in “Fuchs im Bau” von Arman T. Riahi gewonnen. In ihrer Rede blieb sie nicht bei Dank, Lob und guter Laune, der Standardrezeptur bei Preisverleihungen mit garantierter Gähngarantie. Sie traute sich was und nutzte ihre Rede, um auf etwas aufmerksam zu machen, was sich viel zu lange im Bau verstecken durfte: Sexueller Missbrauch. Erst letzte Woche sei sie selbst zum wiederholten Male zum Opfer eines Übergriffes geworden. Bereits das vierte mal in ihrer noch jungen Karriere. Sie ist 21 Jahre alt. Noch immer scheint an deutschen und österreichischen Theater- und Filmsets Normalität zu sein, was nicht normal sein sollte: #metoo. Immer noch und immer wieder. Wo die Debatte steht, was sich seither getan hat und was noch zu tun ist, dazu empfehle ich übrigens die ORF Dokumentation Fünf Jahre Me too und jetzt?

Schweigen brechen und Schweine stellen

Doch zurück zu Lunas Auftritt: In ihrem emotionalen Appell brach die 21-jährige Preisträgerin ihr Schweigen und ermunterte andere dazu, es ihr gleich zu tun. Mit Worten, für die sie Standing Ovations erhielt:

“Lasst uns gemeinsam das Schweigen brechen und diese Schweine stellen. Für die Zukunft des Films und die Freiheit der Kunst.”

Unterstützung erhielt sie dabei von Regisseur Arash T. Riahi und ihrer Kollegin, der Schauspielerin Verena Altenberger. Das Präsidentschaftsduo der Akademie, machten ebenfalls deutlich, dass endlich Schluss sein müsse mit einem Klima der Angst vor Übergriffen, sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch: “Der Arbeitsplatz Film und auch die Ausbildungsstätten müssen endlich für alle angstfrei werden.” Damit dies geschehen kann, muss sich das System verändern: “Diverse Sets, Vertrauenspersonen, besondere Schulungen vor Drehbeginn, Aufklärungsarbeit schon in der Ausbildung, vertragliche Regelungen, die Mitarbeiter*innen auch in vulnerablen Situationen besser schützen…” Anfänge sind gemacht, wie die Anlaufstellen Themis in Deutschland oder Vera in Österreich, Vertrauenspersonen bei TV Produktionen, die mir bekannt sind, aber das Thema bleibt relevant und leider nicht nur in der Kultur (SZ Artikel über Missbrauch im Frauen Handball vom 28.10.2022)

So ein mutiger Auftritt, Luna!

Ich habe nach ihrem Auftritt mit Luna Jordan gesprochen und ihr gesagt, wie mutig ich es fand, dass sie sich mit Anfang 20 auf die Bühne stellt und die Feierlaune in Frage stellt, weil etwas ganz anderes, viel größeres in Frage gestellt werden muss: Die Macht weniger, über die Freude der vielen. Die Macht derer, die Abhängigkeiten schaffen von denen ihr Ego profitiert und die Freiheit der Kunstschaffenden leidet. Der starke Auftritt einer jungen Frau, der ihre eigene Abhängigkeit von den Mächtigen im System in diesem Moment egal war, weil sie es Leid ist, dass  Menschen leiden müssen. Ganz spontan sei ihr Auftritt gewesen, hat Luna mir gesagt, ganz direkt, in dem Wissen, dass auch im Publikum Menschen sitzen könnten, die sich mindestens schamlos benommen haben und solche, die weggeschaut haben, wo Hinschauen nötig wäre. Ganz klar war Luna, ganz bei sich, weil sexueller Missbrauch kein Einzelfall sondern immer noch Regel ist.

Weil ich Künstler*in bin und bin nicht Dein Objekt

Mit der Verurteilung Harvey Weinsteins wurde ein mächtiger Mann gestürzt, der davon überzeugt war, dass ihm die Welt zu Füßen zu liegen habe. Ein Alpha-Mann, der sich nahm, was er wollte, weil er es konnte. Dieser Mann sitzt nun im Gefängnis, doch NO meint noch immer nicht NO. Der Kampf  gegen den Weinstein in Mensch und System geht in die nächste Runde. Gut, dass es Menschen wie Luna gibt, die den Mut haben, sich nichts mehr gefallen zu lassen, die die Stimme erheben, für sich, für andere und die Kunst. Weil Mensch und Kunst ohne Freiheit keine Luft zum Atmen haben. Weil Luna sagt: Ich bin Künstlerin und kein Objekt, weil ja: auch ich: #meetoo. Aber ich bin mehr als ein Hashtag: Ich bin Luna, ich bin Schauspielerin.

Ein guter Auftritt steht für sich.

Was mich an ihrem Auftritt so begeistert, ist für mich auch der Grund, wieso sie eben Standing Ovations bekommen hat: der Auftritt war weder selbstgefällig noch wollte sie gefallen. Sie war im Kontakt, mit dem Moment und mit sich und stand hinter dem was sie sagte und dort, wo es hingehört. Ein guter Auftritt steht eben für sich und in diesem Fall sogar auch für andere, die ähnliches durchleiden mussten. Chapeau!
Und wer Luna Jordan bis dato nicht auf dem Schirm hat, sollte sie sich einfach auf den Schirm holen. Der Film “Fuchs im Bau” ist unheimlich intensiv, wuchtig und hat mich total reingezogen. (Aktuell kann man den Film in Deutschland nicht streamen, aber auf DVD.)

Empowerment – Für Deine emotionale Sicherheit

Ich unterstütze viele Frauen, die auf Bühnen stehen, darin, Grenzen zu setzen, auf genau die Art, die für sie angenehm ist. Ich begleite Menschen darin, Mut zu fassen. sich überhaupt zu trauen, Erlebnisse zu benennen und emotional zu verarbeiten. Aufgrund der moderneren (bifokalmultisensorischer) Methoden (wie EMDR, PEP, TRE usw.) geht das nicht nur viel schneller als bekannt, sondern auch ohne groß über die Themen zu sprechen. In freier Selbstbestimmung, was mit diesen Erlebnissen geschieht, denn nicht jeder Mensch möchte in die Öffentlichkeit. Gleichzeitig umso bemerkenswerter, wenn sich jemand für diesen Weg frei entscheidet. Weil wir alle mehr sind, als das was uns passiert ist.

Du möchtest mehr erfahren, bist neugierig oder hast ein konkretes Anliegen?​ Dann melde dich bei mir via Kontaktformular und ich melde mich umgehend bei dir oder mache ein kostenfreies Erst- und Infogespräch aus. In dem informiere ich darüber wie ich oder andere Kolleg:innen anderen Menschen in ihren Situationen behilflich sind.

Foto: Luna Jordan by Polly Rola