“Auf einmal habe ich das Gefühl, ich habe einen Skischuh an.” Diesen Satz sagte der erste Fussballprofi mit dem ich über Drucksituationen sprach vor über 15 Jahren. Mich faszinierten diese Metaphern von Profis. Denn diese Beschreibungen kommen überall vor, bei Top Opernsänger:innen, Schauspieler:innen und im Büroalltag. Es kann ein Ausdruck von Nervosität, Anspannung, Lampenfieber sein oder einfach ein schlecht gewähltes Ziel. Die wichtigste Frage ist allerdings, was hilft mir, um aus solchen Situationen heraus zu kommen? Welchen Fokus sollte ich setzen und worauf meine limitierte Aufmerksamkeit. Und was kann ich vielleicht als Trainer:in, Coach, Lehrer:in oder Eltern machen, um in diesen Situationen helfen und auch die Übezeit zu verringern. Wie immer ein Blick in die Wissenschaft und ein paar Tips aus der Praxis.

Was sagt die Wissenschaft?

Auch, wenn es auch hier keine Allgemeingültigkeit gibt, ist die Wissenschaft in einer Frage ziemlich eindeutig. Bei motorischen Bewegungen, wie eben bei Sport, Musik, Tanz usw. ist es von Vorteil, die Konzentration auf einen externen Fokus zu legen und nicht nach Innen auf die Bewegung. Zu diesem Ergebnis kommt nicht zu letzt eine Metastudie, in der insgesamt über 100 Studien getestet wurden. (Hier gehts zur Studie)

Was passiert beim Sport?

In einer beeindruckenden Studie von 2005 hat man zwei Gruppen von Golfern im Anfängerstadium angeschaut unterschiedliche Aufgaben gegeben. Die eine Gruppe bekam die Anweisung sich auf die Muskeln oder die Armbewegung zu konzentrieren (interner Fokus). Die andere Gruppe sollte sich auf den Flug des Balls oder das Ziel fokussieren (external Fokus). Dabei waren die Ergebnisse für die zweite Gruppe deutlich besser. Die Ergebnisse hielten sich auch an den Folgetagen. Woraus man ableiten kann, dass auch beim üben und trainieren es besser ist, auf den externen Fokus Wert zu legen.

Gilt das auch für Profis?

Das was für die Amateure gilt, gilt auch für die Profis. In einer weiteren Studie wurden die Golfer wieder in zwei Gruppen aufgeteilt. Alle Golfer hatten ein durchschnittliches Handicap von 0. Sie bekamen die exakt gleichen Ansagen, wie in der ersten Studie. Auch hier halten sich die Ergebnisse. Die Schläge der Gruppe, die sich auf den external Focus konzentrierten, schlugen weiter und genauer und die Bewegungen waren flüssiger. Diese Ergebnisse wurden auch in anderen Sportarten bestätigt.

Wie verhält es sich bei Musiker:innen?

In zwei Experimenten spielten erfahrene Musiker:innen verschiedene Instrumente und führten ein selbst ausgewähltes Musikstück unter verschiedenen Aufmerksamkeitsbedingungen auf. Gruppe 1 sollte sich auf die Präsentation für das Publikum und den emotionalen Ausdruck der Musik konzentrieren (external focus). Bei Gruppe 2 lag der Schwerpunkt auf der Präzision ihrer Finger- oder Lippenbewegungen sowie der korrekten Noten (internal focus). In der Kontrollgruppe spielten sie wie gewohnt. Experten bewerteten die Darbietungen hinsichtlich musikalischer Ausdruckskraft und technischer Präzision.

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So verbessern sich Ausdruck, Klang und technische Präzision

In Experiment 1 führte der externe Fokus zu einer Steigerung des musikalischen Ausdrucks im Vergleich zu internem Fokus und Kontrollgruppe, ohne die technische Präzision zu beeinflussen. In Experiment 2, als detailliertere Bewertungskriterien verwendet wurden, verbesserte der externe Fokus erneut den musikalischen Ausdruck im Vergleich zu internem Fokus und Kontrollgruppe. Zudem war die technische Präzision bei externem Fokus höher als bei internem Fokus.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Musiker von einem Fokus auf die beabsichtigte musikalische Wirkung profitieren können. Musiklehrer:innen könnten ihren Schülern daher Ratschläge zur Aufmerksamkeitssteuerung geben, um das Lernen und die Leistung zu optimieren. Wichtig ist aber dabei, dass ich mich auf meine Vorstellung der musikalischen Wirkung konzentriere. Ob das Publikum es so empfindet, ist nicht entscheidend im Moment der Performance.

Auf die Formulierungen kommt es an

Was bedeutet das jetzt konkret? Es kommt teilweise auf die Formulierung oder die Selbstgespräche an. In der gleichen Studie mit Golfern hat man einer Gruppe gesagt, das Gewicht mehr auf den linken Fuss zu stellen (internal focus). Der anderen Gruppe hat man die Anweisung gegeben “Drücke dein Fuss etwas gegen den Boden auf der linken Seite”. Auch hier waren die Ergebnisse eindeutig. Die Gruppe mit dem external Focus schlug den Ball nicht nur weiter, sondern auch die Geschwindigkeit und Bewegung der beteiligten Muskeln wurde erhöht. Nur durch die Konzentration auf den Boden im Vergleich zur Konzentration auf den Fuss. Als Musiker:in kann es also sinnvoll sein mehr in eine Richtung zu spielen. Einen Ton von oben oder unten anzugehen usw.

Zu viel Bewusstsein verschlechtert die Bewegung

Wenn wir uns auf Körperbewegung konzentrieren versuchen wir bewusst Bewegungsabläufe zu kontrollieren. Das Ergebnis ist das wir unser Bewegungszentrum beschränken. Es kommt zu unnötigen Gegenbewegungen (Koaktivität – Agonist und Antagonist sind gleichzeitig angespannt) und sogar Beteiligung von Muskeln, die gar nicht benötigt werden. Das hemmt die flüssige und natürliche Bewegung. Schlimmer noch, wir verbrauchen dadurch mehr Energie als nötig und die Genauigkeit der Bewegung ist geringer als sonst.

Wie kann ich das beim Sport für mich nutzen?

Es ist also hilfreich, wenn du dich auf ein externes Ziel zum Beispiel konzentrierst. Bei Golfer:innen konnte man feststellen, dass es hilfreich ist ein eher entferntes Ziel zu fokussieren oder den Flug des Balles, im Vergleich zu einem nahen Ziel (der Schläger zum Beispiel). Hier gilt es auszuprobieren. Wichtig ist, dass bei der Zielformulierung, dass Ziel als solches keinen Stress für dich auslösen darf. Ein Ironmanteilnehmer mit dem ich am Fokus für die harten Phasen gearbeitet habe, freute sich am meisten über den Horizont und die Verbindung mit der Natur im Einklang zu sein, wenn er sich bewegt, den Wind zu spüren und darin aufzugehen.

Wie kann ich das als Musiker:in nutzen?

Im Podcastfolge 8 von Kein Applaus mit Jojo Berger (Querbeat) erzählt Jojo, wie er sich manchmal im Publikum jemanden raussucht, den er zum “tanzen” bekommen möchte. Auch hier gilt es auszuprobieren. Es kann auch hier der Klang des Tones sein, der durch den Raum geht. Die Wirkung, die deine Musik erzielen soll. Gleichzeitig hier immer vorsichtig sein, dass du dir kein Ziel an Bord holst, was du nicht voll unter Kontrolle hast. Was oft Musiker:innen hilft ist, sich mit der Musik zu verbinden und dem Instrument.

Lass dich bei deinen Zielen unterstützen

Selber den richtigen Fokus zu finden ist häufig schwierig, da man in den selben Bahnen in der Regel denkt und sich selber auch schwer überraschen lassen kann. Der richtige Fokus und Ziele lassen sich oft leichter mit einem guten Lehrer:in oder spezialisierten Coach finden.

Kein Applaus #8 mit Johannes Berger von Querbeat

Wie ich mit dir deinen optimalen Fokus finde.

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Quellen:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34843301/
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0022429418801573
https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/9763/1/dissSummary_finalFINAL18.8.pdf