Was weiss man über die Punkte und was nicht?

Als ich vor 10 Jahren das erste Mal mit Tappingtechniken in Berührung kam, klopfte ich auf einem Punkt zwischen den Augen. Im Vergleich zu den anderen Punkten war dieser Punkt für mich unangenehm. Ich verzog mein Gesicht und teilte mein Gefühl mit der Coachin, bei der ich war. Sie erwiderte gleich: “Meine Energiebahnen seien blockiert.” “Ah. Ok. Danke und jetzt?”, dachte ich. Ich fühlte mich schlecht. “Der Fehler liegt also bei mir?”. Ich sollte weiter klopfen und in mir stieg Ärger auf. Ich fand die Ausbilderin doof. Wieso soll ich an einer Stelle klopfen, die sich nicht gut anfühlt?

Am Anfang steht die Beziehung und das Vertrauen

Zum Glück bin ich am Klopfen dran geblieben. Nicht ich war das Problem, sondern die Unsicherheit der Ausbilderin. Das Beispiel zeigt aber so schön, dass neben der Technik viel entscheidender das Verhältnis zwischen Coach und Coachee ist. Gleichzeitig bekomme ich immer wieder Fragen oder Whatsapp Nachrichten von Klient:innen: „Boris, ich habe irgendwie vergessen, wo man Klopfen muss und merke wie die Aufregung steigt vor der Preisverleihung“. Was hat es also mit den Punkten auf sich?

Klopfen ist “idiotensicher”

Das tolle ist am Klopfen, man kann nichts falsch machen. Ein entscheidender Vorteil gegenüber anderen Selbsthilfetechniken. Viel wichtiger ist, dass die Punkte für einen selber angenehm sein müssen. Viel besser noch: einigen Klient:innen reicht es aus einen einzigen Punkt zu klopfen. Die Marathonläuferin Anke Esser nutzt Zeigefinger und Daumen ab und an während des Laufes, um den Fokus wieder zu finden und mehr bei sich zu sein. Eine Schauspielerin klopft auf dem Weg zu Castings auf das Brustbein. Die Moderatorin Jeannine Michaelsen tappte letztens live in der Sendung Schlag den Star nur unter dem Schlüsselbein.

Das Gerüst: Die Akupunkturpunkte

Das Grundgerüst bilden die 16 Akupunkturpunkte, an den Händen, im Gesicht und am Körper, wie auf dem Bild. Ein Gerüst kann Sicherheit geben. Ritualisierung auch. Ich denke nur an die Routinen von Rafael Nadal, vor seinem Aufschlag. Gleichzeitig ist es mir immer wichtig, die Klient:innen zu ermutigen Punkte für sich auszuprobieren und zu überlegen, was in welchem Kontext vielleicht gut tut und anwendbar ist. Der Gedanke etwas falsch zu machen zu können, führt zu Stress. Improvisation statt Stagnation also. Zumal es manchmal überraschenderweise Punkte gibt, die angenehmer sind. Aber was weiss man aus der Forschung und was noch nicht?

Was sagt die Wissenschaft?

Ein paar Anhaltspunkte zu den Klopfpunkten: Im Gesicht, unterhalb des Jochbeins sind offene Nervenenden des Vagus Nervs vorhanden, die durch das Klopfen stimuliert werden. Oft fangen Klient:innen an zu gähnen, wenn sie dort klopfen, weil Druck aus dem Körper geht. Darüber hinaus werden C taktilen Hautzellen besondere Wirkung zugeschrieben. C taktile Zellen sind spezifische Hautzellen, die eine langsamere (unmyelinisierte) aber dafür direkte Verbindung ins Kleinhirn haben und Sicherheitssignale spenden. Eine 3G Verbindung sage ich ganz gerne – langsamer, aber dafür “rock solid”. Diese spezifischen Hautzellen hat die Forschung seit erst ca. 20 Jahren überhaupt entdeckt und sie tauchen insbesondere da auf, wo wir Haare haben. Der Punkt unter der Nase und oberhalb der Lippe ist einer der sensibelsten Bereiche, die wir haben. Hier gibt es Forschungsergebnisse zu Ratten, die darauf schliessen lassen, dass die Stimulierung hier beruhigende Wirkung haben.

Klopfen ist mehr als Berührung

Was wir aber oft vergessen: Klopfen ist darüber hinaus viel mehr als nur Berührung, sondern auch Rhythmus. Das bedeutet das motorische Zentrum ist aktiv, während wir uns unwohl, aufgeregt oder nervös fühlen. Alleine durch das aktiv sein, empfindet sich der Körper nicht mehr als hilflos. Bei der Selbstwirksamkeitsübung wird unter dem Schlüsselbein eher in Kreisen gestreichelt, was Mechanorezeptoren anregt. Diese leiten Information im übrigen schneller als Schmerzrezeptoren, weswegen das Streicheln nicht nur der Eltern wirkt, sondern auch wenn man das selber macht.

Mehr zu den Wirkungsweisen und Forschungsergebnissen findest du hier: (1.FMRT Studie zum Klopfen).

Schnell oder langsam? Links oder rechts?

Es gibt nichts empirisches dazu, ob links oder rechts, schnell oder langsam eine Rolle spielt. In Büchern verschiedener “Klopf-Schulen” wird gerne empfohlen mindestens 7-10 mal einen Punkt zu klopfen. Aus meiner Erfahrung spielt das überhaupt keine Rolle und ich würde mich während des Klopfens auf mein Thema fokussieren, während ich intuitiv klopfe. Beim Selbstversuch während des Schreibens war es bei mir gerade in etwa das doppelte.

Mach das Experiment

Ich bin gespannt, was die Forschung weiter herausfindet. Ein Kollege, der als Therapeut beeindruckende Arbeit mit Missbrauchsopfern tätigt lässt seine Klient:innen auf dem Ipad klopfen, da diese sich manchmal (noch) aufgrund der negativen Erfahrung und Scham nicht so gut selber anfassen können. Auch das funktioniert. Und wer bislang noch nicht mit mir gearbeitet hat und noch mehr Sicherheit möchte, bevor er sich etwas zeigen lässt, dem empfehle ich folgendes, sofern er die Kopfmassage grundsätzlich mag: versuche dich während einer guten Kopfmassage zum Beispiel beim Friseur, in der richtigen Temeperatur, Tempo und Druck zu ärgern oder aufzuregen. Meine Hypothese ist, dass dies physiologisch kaum möglich ist.

Coachings dürfen leicht sein

Im Nachgang bin ich über diese erste Erfahrung sehr dankbar, weil ich eine entscheidende Erfahrung gemacht habe. Die Technik und Methodik spielt eine Rolle, aber niemals die entscheidende. Sondern der Prozess mit dem Coach, Therapeut:in, worauf ich mich bis heute am allermeisten konzentriere und weiterbilde. Mache es deinen Klient:innen leicht etwas auszuprobieren.

Klopfen wirkt im Gehirn anders als Atemtechniken

Das Erstaunliche ist: Im Vergleich zu anderen noch vorherrschenden Emotionsregulationstechniken zeigen Tapping-Techniken im MRT eine Hochregulierung und Aktivierung der Amygdala, welche für die Bewertung der Angst zuständig ist. Die Amygdala bekommt eine Art Sicherheitssignal, was durch das Klopfen über spezielle Hautzellen an das Gehirn weitergegeben wird. Das könnte ein entscheidender Grund dafür sein, dass Tapping-Techniken oft bereits in kürzester Zeit (60 Minuten) deutlich schneller helfen, als zum Beispiel beruhigende Atemtechniken oder kognitives Umbewerten der Situation.

(Hier kannst du dir anhören, wie so seine Session in etwa abläuft.)

 

Jasmin Schwiers – Auftrittscoaching: Wie kann ich mit Tappintechniken meine Aufregung senken?

Ob Tourbus oder Flugzeug: Tapping-Techniken funktionieren schnell, individuell und leicht

Genau deswegen zeige ich Tapping-Techniken immer wieder gerne. Es geht oft schnell, ich kann ganz individuell auf die Bedürfnisse meiner Klient:innen eingehen, weshalb auch miteinander gelacht wird und die Klient:innen haben etwas an der Hand, was sie (egal wo) im Autor, vor oder nach dem Auftritt zusätzlich selber anwendbar können. Wer sich dafür interessiert und neugierig ist, unabhängig von der Bühne, kann dies ganz leicht tun: